Schleichend ziehen dicke Nebelschwaden durch Mirbach. Während der tatenkräftige Wieland alles in seiner Macht stehende versucht. Er sollte nicht ahnen, was sich ihm entgegen stellt.
Wer folgt seinem Ruf?
„In welch chaotischer Lage sich die Verteidiger anno 131 vor Wiederkehr befanden, wie wenig sie über die Natur der Gefahren wussten, wurde bei ihrer Ankunft in Gerbach offenbar. Man möge bedenken, dass ich dies mit dem Wissen heutiger Tage schreibe und die Konfusion und Fehlentscheidungen zu ihrer Zeit nicht absehbar waren. Wieland, der Schmiedesohn und selbsternannte Befreier Mirbachs führte seine Verbündeten nach den geistzersetzenden Geschehnissen in dieses Dorf, hoffend dort einen sicheren Hafen und Unterstützung vorzufinden, doch ihnen folgten die übernatürlichen Ereignisse.
Es begann mit den Nachrichten. Das Phänomen traf auf Verwirrung, auf Angst und Ablehnung, insbesondere bei den Gefolgsleuten Wielands. Wie bereits dokumentiert und beschrieben war er auf die Unterstützung andersländischer Helfer angewiesen, wo sich Balphemor die Unterstützung der Bevölkerung gesichert hatte. Dies erwies sich jedoch als zweischneidiges Schwert, denn einige verbrannten die Hilfe, die ihnen geboten wurde bereits am folgenden Tag – ein folgenschweres Ereignis.
Die Gefolgschaft folgte dennoch weiterhin dem Ruf des Schmiedesohns, der seine Kampagne gegen einen unsichtbaren Feind vorantrieb. Dabei wurden sie, den Recherchen zufolge, subtil von eben jenem gelenkt. Das Dorf war bereits Teil seines Plans, er selbst hatte sich, als Dorfältester getarnt – dort niedergelassen und seine eigenen Agenten unter der Bevölkerung. Den gefundenen Schriften nach gehörten einige der einfachen Bevölkerung und die Totengräberin dazu. Letztere hatte ihn unbemerkt für seine Experimente mit frischen Leichen versorgt."
Sie war auch beteiligt am Verschwinden des Korpus daemonicus, eben jenen Körper, den die Gefolgschaft unter Verschluss hielt, solange sie konnten. Zeitgenössische Quellen sprechen von dem unentwegt schlagenden Herzen in diesem Körper, dessen fremdartige Natur damals nicht verstanden wurde.
Es gab auch weitere Fehlentscheidungen, deren Konsequenzen damals nicht abzusehen waren. Wieder zeigte sich auf fatale Weise, wie fremd manche Gebräuche auf Fremde wirken mussten und erneut bewies Balphemor sein Geschick, die Gemüter seiner Widersacher zu manipulieren. Ein nagenranfter Priester namens Muri hatte sich Monate zuvor bereits in Gerbach eingefunden. Die Bestattungsriten Nagenranfts sind selbst in den anderen Baronien umstritten, sodass sich über Wochen hinweg ein Streit zwischen der eingangs erwähnten Agentin Balphemors und dem Priester entwickelt hatte. Im urtümlichen Glauben der Nagenranfter war es üblich, Verstorbene nicht der Erde zu übergeben, sondern sie an Bäume zu binden, sodass ihre Seelen mit den Vögeln, die sie verzehrten, aufsteigen konnte. Es waren die andersländischen Gefolgsleute, die sich auf die Seite der Totengräberin und gegen den Priester wandten und so unwissentlich das Treiben Balphemors unterstützten. Infolge einer Eskalation wurde Muri getötet (die Aufzeichnungen zu den genauen Umständen sind jedoch sehr lückenhaft und basieren auf Gehörtem und mündlich überlieferten Berichten; bisher wurden keine fundierten Aufzeichnungen oder Berichte aus erster Hand gefunden). Authentische Augenzeugenberichte geben an, dass es Lord Galdanis‘ Gefolge war, das das Leben des Priesters beendet hatte.
Balphemor erweckte ihn wie einst Hektor wieder und ebenso wie dieser schloss sich der Priester in seinem zweiten Leben dem Magier an. Aus Tagebüchern und Notizen geht hervor, dass er einigen, darunter Wieland und einige seiner engsten Vertrauten, eine Vision hat zukommen lassen, in der sich das Ende der Welt offenbart hatte, die letzten Verteidiger gegen die Horden von Dämonen. Balphemor soll einer dieser Verteidiger gewesen sein, doch auch diese Berichte sind lückenhaft und nur aus Erzählungen gespeist, die von einem Traumelixier berichten. Über die Art und den Zeitpunkt, an dem sich Balphemor zu erkennen gab, gibt es selbst nach heutigen Stand verschiedene, teils widersprüchliche Erkenntnisse; aus den Schriften um Wieland Schmiedesohns geht hervor, dass er den Ältesten bereits seit ihrer Ankunft verdächtigt hatte. Andere Berichte lassen vermuten, dass er sich zuerst einigen seiner Verbündeten offenbart hatte, vermutlich hoffend sie auf seine Seite zu ziehen. Desweiteren ist nicht abschließend nachvollziehbar, ob er der Ursprung der flüsternden Stimmen war, die die Verteidiger erreicht hatten. An dieser Stelle möchte ich betonen, wie bunt die Verteidiger aufgestellt waren. Es gab jene, die Wieland bereits seit Beginn der Geschehnisse unterstützen, wieder andere zogen erst später an seiner Seite in den Kampf.
Der Schmiedesohn musste sich um die Kontrolle bemühen, denn innerhalb der Lager und der Bevölkerung brach ein Disput über seine Legitimation aus, den er nur mit Mühe und nicht vollends beilegen konnte.
Die Stellung des Einhändigen war auch ohne diese Probleme nicht unumstritten. Sein eigener Gram und Eifer machten ihn blind für viele, vermeidbare Fehler und die horrenden Verletzungen und Entbehrungen forderten immer steter ihren Tribut. Wäre nicht die Unterstützung seiner Verbündeten, den andersländischen Pilgern und Kämpfern gewesen, so hätte seine Geschichte an diesem Punkt enden können.
Doch es mochte nicht der letzte Rückschlag für die Kräfte des Erhalts sein, denn während sich Balphemor zwar endlich zu erkennen gab blieb das Rätsel um die Nachrichten und der Dämonen bis zuletzt ungelöst. Zu spät erkannten die Verteidiger, dass diese Schreibstücke nicht etwa eine Bedrohung, sondern eine Warnung waren vor dem Dämonentor. Selbst ein dämonisches Konstrukt, spie es Reih‘ um Reih‘ niederer Dämonen heraus und zwang die Verteidiger erneut, sich mit Balphemors Verbündeten zusammenzutun. So war es etwa Hektor Xanaheim, der eines der Hörner aus dem Leib des Dämonentors gerissen hatte; das andere wurde von einem der andersländischen Soldaten abgetrennt. Im Tagebuch Wielands wurden hierbei die Andersgaster erwähnt, die ihm bereits während seinem Aufstieg treu beiseite standen und zu seinem Kreis der engsten Vertrauten zählen. Dennoch war es am Ende Balphemor, der sich mithilfe magischer Künste beide Artefakte sicherte.
Die Bewohner Gerbachs und der Region sahen sich nicht in der Pflicht, sich den Verteidigern anzuschließen und beharrten darauf, weiterhin auch die Hilfe des Magiers Balphemor anzunehmen. Gerbach mochte sicher sein, für den Moment. Aber sie sahen in den Verteidigern nicht den strahlenden Stern, noch in Balphemor den Ursupator, den es zu bekämpfen galt. Dennoch wurde das Dorf mit der Mühe der Verteidiger zu einem Brückenkopf ausgebaut, einem Stützpunkt, von dem aus der Kampf gegen die Dämonen geführt werden sollte.